Am 21. Februar 2018 wurde im Berliner Abgeordnetenhaus auf unserer Veranstaltung „Vernetzen gegen Tierversuche“ heftig diskutiert. Ziel der Veranstaltung war, sich mit Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und verschiedenen Vereinen zu vernetzen – gegen Tierversuche und für eine tierversuchsfreie Forschung. Eingeladen als Vortragende waren Professor Dr. Horst Spielmann (FU Berlin, EUSAAT), Christian Ott (Ärzte gegen Tierversuche), Tobias Kruse (Lush) und die Journalistin und Autorin Hilal Sezgin.Vor Ort waren auch Wissenschaftler*innen der FU und HU, die selbst Tierversuche durchführen.
Die Veranstaltung wurde in Kooperation von TierVersuchsGegner Berlin und Brandenburg e.V. sowie Dr. Stefan Taschner (tierschutzpolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen) organisiert.
Der Andrang war groß, aber durch die gute Organisation von Eva Rönspieß waren Sitzplätze für 92 Teilnehmer*innen möglich.
Berliner Koalitionsvertrag
Inhaltlich im Mittelpunkt stand das im aktuellen Koalitionsvertrag des Berliner Senats enthaltene Koalitionsziel: „Die Koalition will Tierversuche auf das absolut notwendige Maß reduzieren und fördert verstärkt Alternativmethoden. Gemeinsam mit den Universitäten will die Koalition Berlin zur Forschungshauptstadt der Ersatzmethoden machen“. Allein im letzten Jahrzehnt sind Technik und innovative tierversuchsfreie Forschung in unvorstellbarer Weise vorangeschritten. In den USA werden bspw. hohe Geldsummen für die tierversuchsfreie Forschung bereitgestellt, die große Erfolge möglich machen. Finanziell ähnlich hoch geförderte Projekte würden auch in Deutschland Anreize bieten, durchschlagende Erfolge und ethisch einwandfreie Forschung zu sichern.
Nach der Begrüßung durch Dr. Stefan Taschner (Bündnis 90/Die Grünen ) und Christiane Neuhaus erfolgte eine kurze Einführung durch Anna Wagner und Christiane Neuhaus (beide Vorstand TierVersuchsGegner Berlin und Brandenburg e.V.
Karte zu Laboren in Berlin
In Berlin gibt es laut Berliner Senat noch 99 Labore, in denen Tierversuche durchgeführt werden. Trotz Beteuerungen von Wissenschaft und Politik sind die Tierversuchszahlen auch für 2016 nicht gesunken! Anna Wagner von den Tierversuchsgegnern stellte eine auf unserer Webseite detaillierte Karte vor, auf der Orte tierexperimenteller Forschung und Versuchstierhaltung angezeigt werden. Auf der Karte ist zu sehen, wo Tierversuche in Berlin stattfinden und was wir bislang zu den einzelnen Standorten mitteilen können. Wir fordern Transparenz und setzen uns für die Abschaffung aller Tierversuche zugunsten einer tierversuchsfreien Forschung ein.
Tierversuche aus medizinischer Sicht
Christian Ott, Ärzte gegen Tierversuche e.V., erläuterte seine Einschätzung von Tierversuchen aus medizinischer Sicht, gestützt durch eine Vielzahl von Studien. Herr Ott unterstrich, dass Tierversuche kein guter Indikator für den Menschen seien, da mit ihren Ergebnissen nicht erkannt werden kann, ob sie gefahrlos auf den Menschen übertragen werden können.
Tierversuche aus ethischer Sicht
Anschließend begründete die studierte Philosophin Hilal Sezgin warum Tierversuche aus ethischer Sicht nicht haltbar sind. Das gewaltsame, langsame Zerstören des Lebens anderer für eigene Zwecke ist abzulehnen. Wir könnten keine Gesellschaft schaffen, die frei von Krankheiten ist, aber es sei möglich, wehrlose Tiere zu schützen. Die Frage, würden Sie nicht das Leben eines Menschen dem eines Tieres vorziehen, sei schon falsch. Sie verdeutlichte es sehr anschaulich mit einer Umschreibung: “Sie sitzen mit einer Maus und einem Menschen im Boot. Beide fallen heraus, wen retten Sie zuerst?” Diese Frage hat keinen Halt, denn wir sitzen nicht mit der Maus im Boot, wir zerren sie ins Boot, nutzen sie und schmeißen sie dann raus. Sie ist der Überzeugung, selbst wenn Tierversuche einen Sinn hätten, wir dürfen es nicht tun. Die menschliche Wärme, die sie ausstrahlte, war wohltuend in der sonst eher kühlen Atmosphäre.
Tobias Kruse und Franziska Götz von Lush zeigten, wie Unternehmen tierversuchsfrei produzieren können. Lush stellt Kosmetika her, „die ohne Tierversuche auskommen, die vegan und teilweise vegetarisch produziert werden“.
Tierversuchsfreie Forschung
Prof. Dr. med. Horst Spielmann (Freie Universität Berlin, EUSAAT) ist überzeugt: Zukünftig bieten Alternative Methoden weit bessere Voraussagen als Mäuse. Die Entwicklung menschlicher Zellen sei die Zukunft. In sehr eindrucksvoller Weise berichtete er über fortschrittliche Methoden und die großen Erfolge tierversuchsfreier Forschung in den USA, die dank stattfindendem Paradigmenwechsel und mit massiver Finanzierung möglich sind. Er ist überzeugt, ein Umdenken in der Forschung ist seit Langem überfällig. Er war von 2012 bis 2017 ehrenamtlicher Tierschutzbeauftragter des Landes Berlin, lange Jahre Leiter der Zebet Berlin und setzt sich seit Jahrzehnten für tierversuchsfreie Forschungsmethoden ein.
Podiumsdiskussion
In der Podiumsdiskussion stellten sich Dr. Stefan Taschner (Bündnis 90/Die Grünen), Daniel Buchholz (SPD), Dr. Michael Efler (Die Linke), Katrin Vogel (CDU) und Diana Plange (Landestierschutzbeauftragte Berlin) den Fragen von Moderator Marc Schlösser und den Gästen. Auf eine der Kernfragen, der Definition des absolut notwendigem Maßes von Tierversuchen, erklärten die Politiker der regierenden Parteien dieses als unglückliche Formulierung im Koalitionsvertrag und betonten, dass sie die „Vision Zero“ verfolgen. Abschließend diskutierten die Teilnehmer*innen der Veranstaltung mit den Vertreter*innen aus Parteien und Wissenschaft. Die Frage der Finanzierung bestehender und zukünftiger tierversuchsfreier Forschungsprojekte nahm dabei eine zentrale Stelle ein.