Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) hat kürzlich auf massivem Druck der Europäischen Union (EU) einen Entwurf für ein neues „Tierschutzgesetz“ im Bereich Tierversuche vorgestellt. Die Mängelliste der EU umfasste ca. 20 Punkte der Tierversuchsrichtlinie, die von Deutschland bislang nicht umgesetzt wurden.
In den Medien zeigte sich nun eine höchst zufriedene Bundesministerin Julia Klöckner. Mögliche Spielräume, die zugunsten der “Versuchstiere” im neuen Gesetz hätten ausgelegt werden können, wurden nicht beachtet.
Auch die von der EU geforderte Schmerz-Leidens-Obergrenze, ab der ein Versuch nicht genehmigt werden darf, findet sich im Entwurf nicht wieder.
Lange hatte sich die Bundesregierung mit der Umsetzung der Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht Zeit gelassen. Ihr Schutzmäntelchen galt nicht den Tieren, sondern wurde von der Tierversuchslobby getragen und den tierexperimentell Forschenden umgehängt. Herausgekommen ist jetzt viel Halbherzigkeit.
Aus Sicht von Tierschützer*innen war die Genehmigung von Tierversuchen bislang ein bürokratischer Akt.
2012 hatte das Oberverwaltungsgericht Bremen der Behörde eine umfangreiche Prüfkompetenz im Urteil über die Bremer Affenhirnversuche abgesprochen. Die Prüfung wurde auf die Plausibilitätskontrolle des Forschenden begrenzt.
Dieses Urteil wurde 2014 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Der Tierversuchsantrag durfte durch die Behörde weder inhaltlich überprüft noch ethisch abgewogen werden. Im Tierschutzgesetz wurde verankert, dass ein Tierschutzantrag genehmigt werden muss, wenn Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit vom Antragsteller begründet dargelegt werden.
Dieser Passus wurde von der EU scharf kritisiert. 2018 reichte die EU Klage gegen Deutschland, weil Deutschland immer noch nicht alle Punkte der Tierversuchsrichtlinie umgesetzt hatte.
Bislang machten Forschende in ihren Anträgen Angaben über den Versuchszweck, die ethische Vertretbarkeit, die Unerlässlichkeit und der
Beantwortung der Frage, ob der Versuchszweck nicht auch mit anderen Mitteln erreicht werden könne. Sie gaben die Anzahl der Tiere an und das zu erwartende Leid und brauchten das alles dann nur plausibel zu erklären.
Jetzt heißt es: Die Prüfung der zuständigen Behörde soll “mit der Detailliertheit erfolgen, die der Art des Versuchsvorhabens angemessen ist.“ Und weiter: „Die Genehmigung eines Versuchsvorhabens ist nach Prüfung durch die Behörde zu erteilen, wenn aus wissenschaftlicher oder pädagogischer Sicht gerechtfertigt ist, dass er unerlässlich ist, und nicht durch bloße Rechtfertigung durch den Experimentator selbst.“
Weiter müssen bislang anzeigepflichtige Tierversuche der Behörde nicht mehr nur mitgeteilt werden, sondern unterliegen einem einfachen Genehmigungsverfahren. Das gibt der Behörde eine stärkere Möglichkeit der Überprüfung des Antrags. Dieses umfasst alle gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche sowie Tierversuche in der Aus- Fort- und Weiterbildung.
Gesetzlich vorgeschrieben sind Tierversuche in den Bereichen: Arzneimittelgesetz, Chemikaliengesetz, Futtermittelgesetz, Gentechnikgesetz, Infektionsschutzgesetz, Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, Pflanzenschutzgesetz oder Tierseuchengesetz.
Dennoch, selbst mit der neuen, korrigierten Gesetzgebung ist es fragwürdig, ob eine große Anzahl von Tierversuchen nun abgelehnt wird, Tierversuche auf das, wie es so schön heißt, absolut unerlässliche Maß beschränkt werden. Die neue Reglung dient, unserer Meinung nach, in keiner Weise einer Reduzierung von Tierversuchen, sondern lässt den Behörden viel Spielraum.
Die Gesetzgebung enthält auch nirgendwo einen Passus der wissenschaftlichen und ethischen Verpflichtung, tierversuchsfreie Forschungsmethoden in den Fokus zu setzen, weder die Behörde noch der Antragsteller werden hier angesprochen.