Dem Organ-Chip das Sehen beibringen
Wissenschaftler*innen des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB ist es gelungen, die menschliche Netzhaut auf einem Organ-Chip nachzubilden. Durch die Erkenntnis, dass „Tiermodelle“ auch hier für die nachfolgenden Fragestellungen unzureichend geeignet sind, werden Forscher*innen in die richtige Richtung geführt.
Gemeinsam mit der Universität Tübingen ist es Prof. Dr. Peter Loskill gelungen, die Stammzellen so zu differenzieren und in den Chip zu integrieren, dass sie ein mehrschichtiges Gewebe ausbilden, das u.a. aus den lichtempfindlichen Stäbchen und Zapfen, dem Pigmentepithel und Ganglionzellen, welche den optischen Nerv bilden. Wird die Netzhaut belichtet, kann in den Stäbchen und Zapfen ein elektrophysiologisches Signal gemessen werden. Derzeit arbeiten die Forscher*innen an einem System, um dieses Signal quantitativ auslesen zu können. Sobald dieses existiert, kann gemessen werden, wie stark eine Substanz das „Sehvermögen“ der Netzhaut auf dem Chip beeinflusst. Sobald die Retina-on-a-chip einsatzfähig ist, können Pharmaunternehmen z.B. die Nebenwirkungen ihrer Arzneistoffe auf die Netzhaut testen oder es können Medikamente für diverse Erkrankungen der Netzhaut entwickelt werden.
Die Rolle des Fettgewebes im Körper verstehen
Neben der Retina-on-a-chip forschen die Wissenschaftler*innen des Fraunhofer-Instituts außerdem an zwei weiteren Chipmodellen. Zum einen arbeiten sie an Chips mit weißen Fettgewebe. Denn das Fettgewebe macht einen nicht unerheblichen Teil des Gewichts beim Menschen aus, aber vieles über die Rolle des Fettgewebes im menschlichen Körper ist bislang unverstanden. Der WAT-on-a-chip (WAT steht für White Adipose Tissue) kann helfen, diese Rolle besser zu verstehen und damit verbundene Erkrankungen, wie z.B. Diabetes, gezielter zu behandeln.
Geschlechterspezifische Medizin vorantreiben
Auch ein bisher eher vernachlässigtes Forschungsfeld soll mit der Organ-on-a-chip Technologie erschlossen werden: die geschlechterspezifische Medizin. Denn viele Krankheiten unterscheiden sich in ihrer Ausprägung bei Männern und Frauen, dies wird aber in der medizinischen Forschung und der Arzneimittelentwicklung kaum berücksichtigt. Mit diesem Organ-on-a-chip haben Forscher*innen die Möglichkeit, das Gewebe von Männern und Frauen getrennt zu untersuchen. Außerdem kann der weibliche Hormonzyklus simuliert werden, um zu untersuchen, welchen Einfluss er auf eine Erkrankung und potentielle Medikamente hat.
Quelle: 2.9.2019, Laborpraxis https://www.laborpraxis.vogel.de/mikrochips-mit-augen-oder-fettgewebe-a-860724/