Mit der fachlichen Kompetenz der Tierschutzszene in die Amtszeit
Nachdem seit Jahren für eine hauptamtliche Besetzung des/der Berliner Tierschutzbeauftragten gekämpft wurde, zuletzt ehrenamtlich besetzt von Prof. Dr. Spielmann, erschien nun zur offiziellen Vorstellung von Frau Diana Plange als seine Nachfolgerin eine ungewöhnlich große Anzahl von Tierschutzvertretern. Anwesend waren neben fast allen tierschutzpolitischen Sprechern der Parteien auch seltenere Gäste wie z.B der Tierschutzbeauftragte der Bundeswehr, Mitarbeiter der Berliner Bezirksverwaltungen und des Instituts für Tierschutz der Freien Universität Berlin.
Angesichts der bevorstehenden Übergabe aller Amtstätigkeiten von Prof. Dr. Spielmann an Frau Diana Plange wurde das Tierschutzforum diesmal von der grünen Staatssekretärin für Verbraucherschutz, Frau Margit Gottstein, geleitet.
Als Ausblick auf zukünftige Aktivitäten sprach Frau Gottstein die geplante Unterstützung verschiedener Tierschutzinitiativen im Bundesrat und vor der Agrarministerkonferenz an. Als Beispiel wurde das bereits im Mai von Greenpeace veröffentlichte Gutachten zur Schweinehaltung genannt. Dieses wolle das Land Berlin nunmehr juristisch und fachlich prüfen lassen, um im Anschluss gegebenenfalls eine abstrakte Normenkontrolle in die Wege zu leiten. Weiterhin wurde die Petition zum Verbot der Pferdekutschen am Brandenburger Tor, das Wildtierverbot in Zirkussen und die Katzenschutzverordnung benannt.
Vorstellung der ersten hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten
Frau Diana Plange kommt ursprünglich aus Hannover. Sie war bis 2001 als praktizierende Tierärztin tätig und arbeitet seitdem im Staatsdienst. Seit 2005 lebt sie nun in Berlin. Zuletzt war die Fachtierärztin für Tierschutz und Tierschutzethik als Amtsveterinärin im Bezirk Spandau beschäftigt. Hier zeigte sie sich besonders engagiert und stieß mehrere Gerichtsprozesse zu verschiedenen tierschutzrelevanten Themen an. Ein besonderes Anliegen dabei war und ist ihr dabei ein Verbot der Qualzuchten.
Frau Plange hat sich nach eigener Aussage auf die Stelle der Tierschutzbeauftragten beworben, weil sie die politische Regierungswende als große Chance für den Tierschutz einschätzt und hierzu ihren Teil beitragen möchte.
Sie lobte die große Resonanz und Fachkunde des Berliner Tierschutzforums und gab an, sich auf eine enge Zusammenarbeit zu freuen. Der Tierversuch steht auf ihrer Agenda.
Prof. Dr. Spielmann bekräftigte nochmals die Bedeutung von Frau Diana Planges Stelle. Er wies allerdings auch auf die Bedeutung ausreichender finanzieller Mittel für die Verwirklichung der ehrgeizigen politischen Ziele hin.
Umsetzung des Koalitionsvertrages
Die anschließende Frage der Ärzte gegen Tierversuche e.V. bezüglich der geplanten Maßnahmen und eines Zeitplans zur Umsetzung des Koalitionsvertrags in Bezug auf die Reduktion von Tierversuchen und die Förderung der Alternativmethoden begegnete Frau Gottstein ausweichend. Sie verwies auf Zuständigkeitskonflikte zwischen Bund und Ländern und nannte als Beispiel das gewünschte Wildtierverbot in Zirkussen und die Kennzeichnungspflicht verarbeiteter Lebensmittel.
Hundesterben am Tegeler See
Frau Salzmann, die Sekretärin des bisherigen Tierschutzbeauftragten, die auch nach dem Personalwechsel im Amt bleiben würde, stellte in diesem Zusammenhang wiederum kurz den Giftköderatlas vor.
Dieser wurde im Anschluss scharf kritisiert: zu langsam, zu träge, Zersplitterung der Meldungen auf mehrere Plattformen.
Frau Plange bekräftigte die Priorität der Problematik . Sie versprach zukünftige Verbesserung und hoffe hierfür auf Input der sachverständigen Tierschutzvereine, beispielsweise in Form einer Arbeitsgruppe.
„Listenhunde“ in Berlin
Die anschließende Diskussion rund um die Rasseliste ließ deutliche Lücken in der Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung erkennen. So hatte beispielsweise das Tierheim Berlin erst im März dieses Jahres von der bereits im September angepassten und veröffentlichten Rasseliste erfahren. Diese Liste wurde im weiteren Verlauf der Diskussion zudem heftigst kritisiert. Die vielgelobten Streichungen hätten nur seltenste Rassen und Mischungen betroffen.
Endlich mal kein Randthema: Tierversuche und Alternativmethoden
Obwohl der Tagesordnungspunkt Tierversuche eher am Ende der Veranstaltung platziert war, blieb dieses Mal doch endlich genug Zeit für eine echte sachliche Diskussion. Prof. Dr. Spielmann leitete diese mit einer Zusammenfassung der Veranstaltung in der Urania „Zukunft ohne Tierversuche – wird Berlin Forschungshauptstadt der Ersatzmethoden?“ am 24. April 2017 ein. Ihm zufolge hätte es hier einen breiten Konsens für tierversuchsfreie Forschungsmethoden gegeben. Etwaige gegenteilige Äußerungen in der Publikumsdiskussion, vor allem die äußerst problematische von Frau Prof. Dr. Schäfer-Körting, wonach die Entwicklung von Medikamenten niemals ohne Tierversuche in letzter Instanz möglich sei, wurden nicht erwähnt.
Förderung der Alternativmethoden ist ein „mühsamer Prozess“
Frau Gottstein führte weiterhin aus, dass die Professur für Alternativmethoden an der FU in der Besetzung sei. Das Thema sei auch außerordentlich komplex. Die zuständigen Stellen müssten erst einmal ihr Wissen vertiefen, bevor es ans tatsächliche Handeln gehe. Die personellen Aufstockung des LaGeSo zur Kontrolle der Tierversuche sei jedoch bereits Thema in den laufenden Haushaltsverhandlungen.
Bezüglich der Förderung von Alternativmethoden gäbe es auch noch Klärungsbedarf. Bislang sei beispielsweise im Programm der deutschen Forschungsgemeinschaft, einem der staatlichen Hauptförderer, keine Förderung für derartige Projekte vorgesehen.
Herr Buchholz, der tierschutzpolitische Sprecher der SPD äußerte sich dahingehend, dass der Prozess zur Förderung der Alternativmethoden trotz mittlerweile jahrelanger Diskussionen nach wie vor sehr „mühsam“ und schwer zu finanzieren sei.
Die tierschutzpolitische Sprecherin der CDU, Katrin Vogel, regte die Sicherung der bereits bestehenden und der geplanten Professuren auf Dauer an. Prof. Dr. Spielmann pflichtete ihr bei und forderte für dieses Vorhaben mehr „Druck“ von Seiten des Tierschutzes aufzubauen. Frau Plange ergänzte:“ Ich bin hartnäckig.“
Bei einer Diskussion zum Thema tierversuchsfreie Forschungsmethoden durfte natürlich von politischer Seite der Hinweis auf die ausgeschriebenen Preise nicht fehlen. Berlin prämiert in diesem Bereich alle 2 Jahre, das Landwirtschaftsministerium sogar jährlich. (Die Preisgelder sind mit jeweils 25.000 € nicht gerade üppig).
Diskussion um Tierversuche mit Schweregrad „schwer“
Eine Rückfrage der TierVersuchsGegner Berlin und Brandenburg e.V. nach dem weiteren Vorgehen der Politik im Bereich der Tierversuche mit dem Schweregrad „schwer“, löste eine Diskussion um das Genehmigungsverfahren von Tierversuchen in Berlin aus.
Obgleich derartige Tierversuche nach EU-Recht verboten sind, werden diese in Berlin weiterhin durchgeführt. Populärstes Beispiel hierfür ist der sogenannte „Forced Swim Test“, bei dem Mäuse bis zur völligen Erschöpfung und Selbstaufgabe schwimmen müssen, um so eine symptomatische Grundlage für die Erforschung der Wirksamkeit von Depressionsmedikamenten beim Menschen zu erschaffen.
In die ausbrechende Diskussion schalteten sich verschiedene Interessenvertreter ein. Prof. Dr. Spielmann kritisierte das Vorgehen der zuständigen Behörde („Wenn jemand für diese Tests zahlt, dann wird der das vorher schon geprüft haben“- also winken wir es durch.) und äußerte den Wunsch nach einer besseren Sachkunde im LaGeSo. Frau Gottstein beleuchtete die juristische Perspektive. Da das deutsche Recht Tierversuche mit dem Schweregrad schwer aktuell nicht verbietet, müsse geklärt sein, wie dieser Widerspruch zur EU-Tierversuchsrichtlinie zu bewerten sei.
Herr Prof. Dr. Spielmann verwies auf die www.animaltestinfo.de Datenbank die, bereits bereits im Aufbau ist.
Geschlossen wurde die Diskussion mit einem traurigen Blick auf die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für die Förderung von Alternativmethoden in der EU. Hier sei politischer Wille wirklich nötig. Dass ein Umdenken im Testaufbau möglich sei, habe das Verbot von Tierversuchen für Kosmetik ja eindrucksvoll bewiesen.