Tierschutzforum zum Rot-rot-grünen Koalitionsvertrag

Am 13. Dezember 2016 fand das erste Berliner Tierschutzforum unter der neuen Rot-Rot-Grünen Berliner Regierung statt. Gespannt besuchten auch wir TierVersuchsGegner die Veranstaltung, zu der der aktuelle Berliner Tierschutzbeauftragte Dr. Horst Spielmann geladen hatte. Anwesend waren selbstverständlich auch eine Reihe weiterer Tierschutzvereine, sowie einige Amtsveterinäre und unabhängige Tierschützer.

 

Auf Einladung der Linken erschien nur die AfD

Nachdem die Regierungsfindung ja bekannter Maßen einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen hatte, fiel das Tierschutzforum in die erste echte Sitzungswoche des neuen Parlaments. Leider hatte dies auch zur Folge, dass ein Großteil der Tierschutzbeauftragten der Parteien nicht zugegen war. Die Grünen beispielsweise bestimmen ihren neuen Tierschutzbeauftragten erst nach der Weihnachtspause im Januar.
Diese Tatsache führte dazu, dass von Seiten der Abgeordneten nur Michael Efler von der Linken und der AfD-Abgeordnete Marc Vallender teilnahmen. Während Efler sich bereits vor seiner ersten Amtszeit auch im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten für eine demokratische und weltoffene Gesellschaft immer wieder zumindest am Rande mit Fragen des Tierschutzes auseinandergesetzt hat, fehlt es Vallendar offensichtlich an Expertise. Nicht verschwiegen werden darf an dieser Stelle dann auch die Priorisierung des Tierschutzes innerhalb der AfD. Tierschutz ist nämlich ein sub-sub-sub-Bereich des Resorts Verbraucherschutz. Der Ex-Soldat und Ex-Verbindungsstudent sorgte mit seinen Äußerungen dann auch immer wieder für ein paar traurige Lacher hinter vorgehaltener Hand.

Es klingt zu gut um wahr zu sein :Koalitionsvereinbarung zum Tierschutz
„Tierschutz stärken
Die Koalition wird in Berlin ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen einführen und unterstützt die Schaffung eines Verbandsklagerechts auf Bundesebene im Tierschutzgesetz. Die Koalition will Tierversuche auf das absolut notwendige Maß reduzieren und fördert verstärkt Alternativmethoden. Gemeinsam mit den Universitäten will die Koalition Berlin zur Forschungshauptstadt für Ersatzmethoden machen. Die Koalition wird alle tierschutzpolitischen Zuständigkeiten in einer Senatsverwaltung bündeln. Außerdem verbessert die Koalition die Kontrollmöglichkeiten der Bezirke und des Lageso, sodass künftig Tierbörsen, gewerbliche Tierhaltungen und Tierversuchsvorhaben regelmäßig kontrolliert werden können. Das Amt des Tierschutzbeauftragten des Landes Berlin wird hauptamtlich besetzt. Es wird ein Tierschutzbeirat eingerichtet, in dem Tierschutzverbände und die Fraktionen des Abgeordnetenhauses vertreten sind. In der Berliner Innenstadt sollen keine Pferdekutschen mehr fahren dürfen. Die Koalition wird alle Möglichkeiten nutzen, um den gewerblichen Handel mit exotischen Tieren auf Tierbörsen zu reduzieren. Die Vergabe öffentlicher Flächen an Zirkusse findet nur statt, wenn die artgerechte Tierhaltung sichergestellt wird. Die Koalition erlässt eine Katzenschutzverordnung. „
zitiert aus „Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen“; Koalitionsvereinbarung zwischen SPD Landesverband Berlin, Linke Landesverband Berlin, Bündnis 90/Die Grünen Landesverband Berlin für die Legislaturperiode 2016-2021

Die Diskussion des Koalitionsvertrages nahm fast die Hälfte der für das Tierschutzforum veranschlagten Zeit in Anspruch. Auf einige Einzelbereiche wurde im Verlauf der Tagesordnung noch spezifischer eingegangen.

Ein instituitioneller Tierschutzbeirat für Berlin

Besonderen Anklang bei den anwesenden Tierschützern fand die zukünftige hauptamtliche Besetzung des Tierschutzbeauftragten. Dieser müsse allerdings dann auch gemeinsam mit einem vernünftig zusammengesetzten Tierschutzbeirat agieren. Ein solches Vorhaben bringe nichts, wenn das Gremium hauptsächlich von Abgeordneten, wirtschaftlichen Interessenvertretern und dann noch zwei bis drei Tierschützern „zur Deko“ besetzt sei. So die einhellige Meinung des Forums.

Stadt spart Tierheim arm

Eine Vertreterin des Tierschutzvereins für Berlin, ihrerseits Trägerin des Tierheims Berlin, führte die finanziellen Probleme des Tierheims aus.
Dem „größten Tierheim Europas“ geht langsam aber sicher das Geld aus. Schuld daran ist die mangelnde Kostenübernahme für Fund- und Vollzugstiere durch die Stadt Berlin. Jährlich bleibt das Tierheim dabei nämlich auf einer siebenstelligen Summe Kosten selbst sitzen. Die Stadt zahlt überhaupt nur für Hunde und Katzen. Die bereitgestellten Mittel gemessen in Pauschalsätzen und Betreuungstagen reichen lange nicht für den tatsächlichen Bedarf aus. Für die Übernahme und Verpflegung von Kleintiere und Exoten bekommt das Tierheim überhaupt kein Geld. Die zusätzlichen Kosten werden ergo seit Jahren von den Spendern getragen.
Eine absurde Regelung, die der Nachbesserung bedarf. Erfreulicher Weise befindet sich das Tierheim aktuell in Gesprächen mit dem zuständigen Bezirk Lichtenberg, die bei Gelingen eine Verbesserung der Situation herbeiführen könnten.
Im Zusammenhang mit dem Vortrag des Tierheims muss noch auf den bereichernden Kommentar des Amtsztierarztes Marzahn-Hellersdorf verwiesen werden, nach dem das Tierheim das Rückgrat des Vollzugs im Tierschutz sei. Ohne eine ordentliche Finanzierung des Tierheims sei ein ordentliches Arbeiten auch für die Amtsveterinäre unmöglich. Es können schließlich keine Tiere beschlagnahmt werden, die anschließend nirgendwo untergebracht werden können.
Außerdem wurde von Seiten der Hundehalter auch das Berliner Hundegesetz und die zweifelhafte Einstufung von ungefährlichen Hunderassen als Listenhunde für die steigenden Kosten des Tierheims verantwortlich gemacht.
Der Kommentar Vallendars, ob die Tiere- vor allem die Exoten- nicht einfach in Zoos übermittelt werden können, wurde geflissentlich übergangen bzw. schnell mit einem Verweis auf die mangelnde Publikumsattraktivität und die nicht selten wenig artgerechte Haltung von Tieren in Zoos übergangen. Das sollte dann im übrigen auch Vallendars letzte Äußerung im Disput gewesen sein.

Neues Berliner Hundegesetz noch nicht in Kraft

Ein weiterer Tagesordnungspunkt war das Berliner Hundegesetz. Für das bereits im Sommer 2016 verabschiedete Gesetz konnten bislang die zum tatsächlichen Inkrafttreten notwendigen Verordnungen nicht erstellt werden. Genau gesagt geht es um die sogenannte Rasseliste und den Sachkundenachweis, sowie um den Aufbau des Hundesregisters.
Im weiteren Verlauf des Forums wurde aufgrund der voranschreitenden Zeit in abgekürzter Form die neue Homepage des Berliner Tierschutzbeauftragten, die allgemeine Registrierungspflicht für Hunde und Katzen und der Jahresbericht des Tierschutzbeauftragten gestreift.
Der für den Frühling geplante Tierschutztag im Schloss Britz inklusive der Verleihung des Tierschutzpreises wird wahrscheinlich abgesagt. Es ist angedacht das Event in den Herbst zu verschieben.

Verkaufte Stadt: Abbau des Taubenhauses am Potsdamer Platz

Für großen Gesprächsbedarf sorgte der Abbau des Taubenhauses am Potsdamer Platz, nachdem ein Investor große Teile des Platzes gekauft hatte. Der Investor wollte den Taubenschlag partout nicht haben, allen Erkenntnissen über Stadthygiene zum Trotz. Auch die Stadt Berlin setze dem – aus Angst vor einem finanziellen Rückzieher des Großinvestors- nichts dagegen. Dort wo einst hunderte Tauben brüteten und zugefüttert wurden, befindet sich jetzt eine Sonnenterrasse. Trotz der edlen Tierschutzvorhaben der Stadt. Bislang konnte kein Alternativstandort gefunden werden- selbst das im Einzugsgebiet liegende Bundesumweltministerium lehnte ab.
Zorn und Enttäuschung waren den Tierschützern im Gespräch deutlich anzumerken. Mehrmals wurde auf die ursprüngliche Herkunft der Stadttauben -“Das sind eigentlich verwilderte Haustiere“- und die damit einhergehende Versorgungspflicht der Stadt hingewiesen.
Auf politischer Ebene wurde der Vorschlag gemacht alle Bezirke zu einem Strategiepapier zum Thema Stadttauben zu verpflichten. Hierfür sei es jedoch zwingend notwendig Grundlagenwissen in den zuständigen Behörden zu schaffen. Dieses sei laut Taubenschützern wenn überhaupt nur sehr rudimentär vorhanden.
Auch müsse die Öffentlichkeit aufgeklärt werden. Tauben seien eben keine „Ratten der Lüfte“. Die aktuelle Taubenwehr ist tierschutzrechtlich absolut nicht vertretbar. Hier sterben neben Tauben auch andere Wildvögel zu Hauf. Außerdem wenden große Mobilitätsanbieter immer wieder verbotene chemische Abwehrprodukte ab, an denen die Tiere jämmerlich verenden.

Tierhandel eindämmen: Ebay-Kleinanzeigen im Bundestag

Beim Treffen der Landestierschutzbeauftragten Anfang Dezember war auch ein Vertreter von Ebay-Kleinanzeigen zugegen. Das Problem des illegalen Tierhandels ohne echte Klarnamenpflicht und ohne wirkliche Kontrollen ist nun schon seit ein paar Jahren bekannt. Tatsächlich kamen die Tierschutzbeauftragten hier aber wohl zu keinem Ergebnis, berichtete der Berliner Tierschutzbeauftragte Spielmann.
Im Tierschutzforum sprach man sich sehr deutlich für ein generelles Verbot des Onlinehandels mit Tieren aus.

Neuer Lehrstuhl tierversuchsfreie Forschungsmethoden

Unser Kernthema Tierversuche und vor allem tierversuchsfreie Forschung wurde leider nur sehr abgekürzt behandelt. Herr Spielmann wies auf die fragwürdigen Berechnungen des Tierverbrauchs für die vergangenen Jahre hin. Diese Zahlen suggerierten einen Rückgang, der tatsächlich eigentlich nicht vorliegt.
Auf Rückfrage der TierVersuchsGegner nach dem zu besetzenden Lehrstuhl für tierversuchsfreie Forschungsmethoden, verwies Herr Spielmann auf einen neuen Lehrstuhl an der Charité zur rechengestützen Darstellung der Wirkung von Chemikalien. Weitere Informationen hierzu liegen uns bislang leider nicht vor.

Aufnahmestopp für Straßenvögel

Zum Abschluss der Veranstaltung thematisierte die Amtsveterinärin Spandau noch einmal den Aufnahmestopp für Straßenvögel im Zusammenhang mit der Geflügelpest. Da die Tierklinik der FU sich innerhalb eines Sperrgebiets befinde, gelte dort ein genereller Aufnahmestopp. Bei Tierarztpraxen außerhalb von Beobachtungsgebieten wäre in jedem Fall eine telefonische Voranmeldung notwendig.