Auf eine schriftliche Anfrage vom 29.Mai 2017 an den Berliner Senat nach der konkreten Finanzierungssumme für die Stärkung der Forschung im Bereich Alternativmethoden zum Tierversuch antwortete dieser: „Der Senat will Tierversuche auf das absolut notwendige Maß reduzieren und fördert verstärkt Alternativmethoden. Gemeinsam mit den Universitäten will der Senat Berlin zur Forschungshauptstadt der Ersatzmethoden machen. Er wird dieses Ziel im Charité-Vertrag 2018-2022 berücksichtigen.“ Laut Tagesspiegel durfte man davon ausgehen, dass der Senat und die Charité ein neues Zentrum für Alternativen zu Tierversuchen aufbauen werden, wonach der Senat hierfür zwischen 1.3 bis 1.9 Millionen Euro pro Jahr bis 2022 zahlen wird.
Am 23.11.2018 wurde die neue Einrichtung Charité 3R eröffnet. 3R steht dabei für Tierversuche reduzieren (reduce), verfeinern (refine) und ersetzen (replace). Der Name allein zeigt die Zerrissenheit in der Forschung und lässt fragen, in wie weit es überhaupt erwünscht ist, tierversuchsfreie Innovationen mit aller Kraft zu verfolgen. Die eindringlichen Begrüßungsworte von Prof. Axel Radlach Priest, dem Dekan der Charité und Vordenker dieses neuen Zentrums, klingen überzeugend. In der Praxis passiere seiner Ansicht nach viel zu wenig, Tierversuche ersetzten zu wollen. Das Maß aller Dinge sei immer noch der Tierversuch. Die Suche nach Alternativen zu Tierversuchen passe in die Zeit Er wolle erste Forschungsprojekte entwickeln, ist auf der Suche nach neuen Mitarbeitern.
Starkes Befremden lösen bei uns die Worte des Charité-Vorstandsvorsitzenden Prof. Karl-Max Einhäupl aus. Er spricht zwar von einem längst überfälligen Schritt, vom relativ sorglosen Umgang mit Tierversuchen in den 70er Jahren, als die Gesellschaft noch schwieg. Und er verkündet dann freimütig der Öffentlichkeit: 80% aller Tierversuche seien reine Verschwendung, nicht reproduzierbar!
Doch es gibt es kein Innehalten, keine Fragen nach Verantwortlichkeit, keine Fragen nach eventuell verfehlten, großzügigen Genehmigungen, nach eventuell falschen Kriterien, ja nach der Frage, ob Tierversuche überhaupt Sinn machen? Nein, Fehler zu bekennen á la VW mit Affenabgasversuchen, das scheint zu reichen. Keine Frage nach verschwendeten, grausig gequälten Leben, keine Frage nach Patienten, deren Hoffnungen zerbrachen, ja, auch keine Frage, warum nicht längst Konsequenzen gezogen wurden.
Ein „Weiter so“ ist die Antwort von Prof. Stefan Hippenstiel, er will in der neuen Einrichtung Tierversuche mit natürlich bestmöglicher Aussagekraft entwickeln und maximalem Tierschutz! Das entspricht nicht der Koalitionsvereinbarung. Laut Prof. Karl-Max Einhäupl sei die gesamte Charité von einer Art 3R Taumel befallen, einer regelrechten Bewegung! Mit bestmöglichem Tierschutz, bestem Wissen – was aber bislang für 80% aller Tierversuche nicht ausreichte. Vielleicht kein Zufall, dass eine Woche später in den Medien auf eine Studie hingewiesen wird, die behauptet, Unikliniken verbummeln Studienresultate.Es verschwanden z.B. 66% aller klinischen Studien für neue Therapien in der Charité. Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin, betonte, Berlin sei der richtige Ort, um Alternativen zu Tierversuchen zu entwickeln Er verwies noch einmal auf den Koalitionsvertrag.
Wir hätten uns gewünscht, dass die Charité sich in diesem neuen Zentrum von alten Denkweisen befreit und tatsächlich einen Paradigmenwechsel anstrebt. Seit Jahrzehnten begnügen sich Forscher mit Verfeinern und Reduzieren, kleben am Tierversuch. Es ist zu hoffen, dass junge, engagierte Forscher dieses Zentrum mit Leben erfüllen und den Weg zu einer ethisch unangreifbaren und erfolgreichen Wissenschaft ebnen.