Politik & Wissenschaft debattieren FÜR Tierversuche

Mit dem ausgesprochen unvoreingenommenen Wortlaut „Tierversuche sind in der Grundlagenforschung unverzichtbar …. Dennoch kritisieren Tierversuchsgegner, dass Wissenschaftler auf Alternativmethoden umsteigen sollten“ lud die Leibniz-Gemeinschaft am 8. November 2016 zu einer Debatte mit dem Titel „Braucht Forschung Tierversuche?“.

Als Sprecher waren der Direktor des Deutschen Primatenzentrums (Teil der Leibniz-Gemeinschaft) Stefan Treue und die Wissenschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg Theresia Bauer geladen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Kathrin Zinkant, der Redakteurin des Resorts Wissen der Süddeutschen Zeitung.

Frau Bauer rühmte sich während der Debatte mehrmals mit den unglaublichen 400.000 €, die ihr Bundesland jährlich in die Erforschung von tierversuchsfreien Alternativmethoden steckt und appellierte gleichzeitig immer wieder an die Wissenschaft, die ihr zufolge eine „Bringschuld“ für eine transparente öffentliche Debatte über Tierversuche hätte.
Herr Treue positionierte sich als Sprecher der Forschungsinitiative „Tierversuche verstehen“ als eine der treibenden Kräfte für die gewünschte öffentliche Debatte. Mehrmals unterstrich er zudem seinen Wunsch nach einem Ausbau der Alternativmethoden, den er jedoch nicht mit einer Abkehr von Tierversuchen, sondern mit der Notwendigkeit eines guten Methodenmixes begründete.
Sehr einig waren sich beide Sprecher darüber, dass ein Ausstieg aus der tierversuchsgestützten Forschung innerhalb der nächsten 10 Jahre weder möglich noch wünschenswert sei.
Anfangs hangelt sich das Gespräch entlang des sogenannten 3R-Prinzips, dessen nobles Ziel eine möglichst vollständige Vermeidung von Tierversuchen (Replacement) ist. Sofern eine Vermeidung nicht möglich ist, soll jedoch die Anzahl der Tiere auf ein Mindesmaß beschränkt (Reduction) und ihr Leiden so weit wie irgend möglich beschränkt werden (Refinement).

Kein Replacement für transgene Tiere

Spätestens als das Gespräch jedoch auf das Thema transgene Tiere kam, verlor sich dieser Gesprächsfaden ganz im Sinne des Primatenforschers und der -durch einen Versprecher der Moderatorin passender Weise als Frau Treue titulierten – Wissenschaftsministerin.
Herr Treue geriet geradezu ins Schwärmen über die steigende Versuchsgenauigkeit und die Möglichkeiten die transgene Tiere der Wissenschaft brächten. Er schien sie geradezu als persönliches Geschenk zu empfinden. Schließlich würden sie die Erforschung so vieler Krankheiten und Wirkstoffe überhaupt erst ermöglichen! Außerdem würden transgene Tiere auch eine höhere Genauigkeit bedeuten und somit einen geringeren Tiereinsatz pro Studie. Wobei es selbstverständlich schwierig wäre den noblen Wert der menschlichen Gesundheit überhaupt „aufzurechnen“.

Ein Bolzen im Gehirn tut gar nicht weh

Als das Gespräch kurz das Thema „ethische Vertretbarkeit“ streifte, bemühten sich beide Sprecher erfolgreich keinerlei Emotion in der Debatte aufkommen zu lassen. Mit „Wir dürfen kein Urteil auf Grundlage von Bildern fällen“ kommentierte Frau Bauer die im letzten Jahr publik gemachten undercover-Aufnahmen aus Tübingen. Und bezüglich der in der Hirnforschung gängigen Praxis den Tieren dauerhaft Bolzen in den Schädel zu schrauben, verwies Herr Treue auf die Schmerzunempfindlichkeit des Gehirns. Er räumte jedoch auf Nachfrage ein: „Es kann zu Schmerzen kommen, wenn es nicht ordentlich gemacht wird.“

Öffentlichkeitswirksames Bemühen der Wissenschaft statt Schockbildern

Als sich das Gespräch schließlich im direkten Anschluss an mögliche Missstände der politischen Verantwortlichkeit zuwandte, hatte auch der letzte Zuschauer begriffen, dass es heute wohl zu keiner „Debatte“ im eigentlichen Sinn mehr kommen würde. So wich Treue dann auch der Frage nach einer Veröffentlichung der jeweiligen Testmethoden aus und Bauer ergänzte nochmal, dass drastische Bilder hier nicht helfen würden und die öffentliche Debatte statt dessen zeigen solle, dass die Wissenschaft sich bemühe. Um was auch immer.

Unvorbereitet mit dem Rücken zur Wand

Während der sich an die „Debatte“ anschließenden Zeit für Zuschauerfragen, blamierte sich Frau Bauer dann noch einmal richtig. Weder war sie in der Lage anzugeben, wie viel Geld jährlich in die tierversuchsgestützte Forschung gesteckt werden, noch konnte sie konkrete Erfolge ihres nunmehr schon seit längerem laufenden 400.000€ Projekts benennen.
Bei der letzten Publikumsfrage, nach der Förderung einer tierversuchsfreien Lehre, stürzte Frau Bauer sich dann in die absolute Unglaubwürdigkeit und zog mit sich auch ihr ach so bedeutendes Förderprojekt in den Abgrund. Tatsächlich sieht Frau Bauer für weitere Bemühungen um eine tierversuchsfreie Lehre nämlich gar keinen Grund. Studenten sollten schließlich anhand der Methoden ihrer jeweiligen Disziplin lernen.

Resümee: Lobbygespräch mit Publikum

Diese „Debatte“, die eigentlich eher als öffentliches Lobbygespräch zu bezeichnen ist, blieb hinter jeglichen Erwartungen zurück. Ein genauerer Blick auf den Gesprächsverlauf ergibt folgende einstimmige Aussagen der Gesprächspartner:
Tierversuche sollen und können nicht ersetzt werden. Das wäre auch nicht wünschenswert, da nur ein guter Methodenmix valide Ergebnisse erzielen kann.
Die Verantwortung für eine Reduktion des Tierverbrauchs liegt in der Ausbildung der Wissenschaft und lässt sich insofern nur durch Einflussnahme der Politik auf diese erreichen. Außerdem liegt die Verantwortung für den Tierverbrauch sowieso bei den Tierschutzbeauftragten der Tierversuchskommission und nicht bei Politik oder Wissenschaft.
Schließlich sind auch die Haltungsbedingungen der Versuchstiere zufrieden stellend. Alle Eingriffe sind ausreichend reglementiert und kontrolliert.