Wie viel Tierschutz verträgt die Koalition – peinliches Machtgerangel

 

„Berlin soll die Forschungshauptstadt für Alternativmethoden zu Tierversuchen werden“ -was ist aus diesem Vorsatz geworden?

Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Panikmache geistern durch die Medien, hervorgerufen durch Brandbriefe der Berliner Forschungslobby, Pharmafirmen und der SPD, die ihre Chancen für einen vorgezogenen Wahlkampf zu wittern scheint.

Die Brandbriefe erfolgten aufgrund der Umsetzung einer paritätisch zu besetzenden, gesetzlich vorgeschriebenen Zusammensetzung der Berliner Tierversuchskommissionen und der Berufung der neuen Landestierschutzbeauftragten Frau Dr. Herrmann durch Justizsenator Behrendt.

Frau Dr. Herrmann hat lange Zeit am LAGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales) gearbeitet und forscht an der Johns Hopkins University (USA) tierversuchsfrei.

Auch sie möchte Berlin zur Hauptstadt tierversuchsfreier Forschung machen und einen Ausstiegsplan aus Tierversuchen für Berlin entwickeln.
Es wird wirklich Zeit, dass auch Deutschland (Berlin) sich endlich, gemeinsam mit allen Interessenverbänden, an die Ausarbeitung eines Ausstiegsplanes begibt.

Damit sorgt sie massiv für Zündstoff. Frau Dr. Herrmann wolle Tierversuche verbieten! Tierschützer*innen blockierten Tierversuche! Laut der SPD sind daran die Grünen Schuld, genauer gesagt Justizsenator Behrendt.

Wissenschaftsstaatssekretär Krach (SPD) beschuldigt nun Behrendt, durch die Berufung von Frau Dr. Herrmann als Landestierschutzbeauftragte und für die Neubesetzung paritätischer Tierversuchskommissionen als verantwortlich
für die zu erwartenden negativen Zukunftsaussichten zu sein. Er beschuldigt ihn
für Brandbriefe, sieht ihn verantwortlich für ein mögliches Abwandern von Wissenschaftlern*innen und Pharmaindustrie, der Gefährdung des Forschungsstandorts Berlin und seiner Zukunft und natürlich, letztendlich auch die Gefährdung unser aller Gesundheit.

Zuständig für die Besetzung der Tierversuchskommissionen ist in der Tat Justizsenator Behrendt.

Er tut, was seine Pflicht ist: die Tierversuchskommissionen in paritätischer Besetzung von Tierschützer*innen und Wissenschaftler*innen vorzunehmen. Das bedeutet, nur ein Drittel der Kommissionen muss mit Personen besetzt werden, die von Tierschutzorganisationen vorgeschlagen werden.

Die Tierschutzkommission hat bei der Genehmigungsbehörde nur eine beratende Stimme.

Der Vorwurf, mehr Tierschützer*innen in den Tierversuchskommissionen blockierten die Forschung, ist demnach völlig grotesk.

Die Behörde überprüft und genehmigt, wenn der Antrag in seiner Begründung plausibel erscheint. Hier verstößt Deutschland gegen die EU-Tierversuchsrichtlinie, die der Genehmigungsbehörde weit mehr Befugnisse einräumt.

Durch die Neubesetzung arbeitet die Tierversuchskommission seit September nicht mehr, beginnt mit der Arbeit am 26. November.

20 wichtigste Forschungsanträge seien liegengeblieben, allerdings befasse sich nur ein einziger mit einem möglichen Erkenntnisgewinn über Corona.
Hier soll der Verdacht geweckt werden, dass durch die Neubesetzung ein möglicher Impfstoff verhindert wird.

Die Zulassungsverfahren von Impfstoffen sind anzeigepflichtig, nicht genehmigungspflichtig. Sie betreffen deshalb in keiner Weise die Arbeit der Tierversuchskommission, verhindern keinen möglichen Impfstoff.

Total verschwiegen wird, dass gerade innovative, tierversuchsfreie, humanbasierte Forschung in Berlin und weltweit stetig Erfolge erzielt, dass hier die Zukunft der Forschung liegt. Moderne Forschungsmethoden (Multi-Organ-Chip, Computer – basierte Verfahren, Organoide) sind extrem wichtig für die erfolgreiche Forschung von Medikamenten und Impfstoffen. Die FDA, Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der USA, startet eine Forschungszusammenarbeit mit Organ-Chip Entwickler Emulate zur schnellen und sicheren Testung von Corona Impfstoffen. Die FDA begründet ihr Programm mit der Verbesserung der Vorhersagekraft für humanrelevante Sicherheitsanwendungen und weist darauf hin, dass Tierversuche hier erhebliche Nachteile aufweisen.

Da ist es schon sehr erstaunlich, dass die vorgeschriebene Anzahl von Tierschützern*innen in einer Kommission, welche nur Berater*innenfunktion hat, und eine Landestierschutzbeauftragte, die sich bestens auskennt in der Berliner Forschungslandschaft und die den Koalitionsvertrag verwirklichen möchte, soviel Widerstand in der Forschung und der Parteienlandschaft auslösen.

Update 25.11.2020:

https://www.tvg-bb.de/blogger/streik-beigelegt-schwarzer-tag-fuer-tierschutz-und-demokratie/